Gesellschaft
Online seit: 10.11.2017
Knappe Kassen und alterndes Publikum: Gelungene Image-Kur fürs Hamburg Ballett
Mit Ballett verbinden viele Menschen eine elitäre Veranstaltung mit älterem Publikum. Genau dagegen wollte das Hamburg Ballett angehen und verpasste sich deshalb eine Image-Auffrischung. Wie genau, das zeigt dieses Best Practice.
Fragen Sie irgendwo auf der Welt einen Ballettbegeisterten nach John Neumeier und seinen Balletten, kann es gut sein, dass Sie leuchtende Augen und lange Vorträge ernten. Denn Neumeier, der bereits seit 1973 das Hamburg Ballett leitet und über 140 Ballette schuf, hat es geschafft, in fast allen Ländern dieser Erde seine Choreografien zu zeigen und die Menschen damit zu bewegen. Er hat das Hamburg Ballett damit nicht nur zu einer festen Größe in der Hamburger Kulturszene gemacht, sondern auch zu einem der wichtigsten Kulturbotschafter. Das zeigt sich auch an der Auslastung der Vorstellungen in der Hamburgischen Staatsoper, die mit 97 Prozent eine der höchsten in Deutschland ist.
Alles scheint also gut beim Hamburg Ballett. Dennoch brauchen auch wir eine Image-Auffrischung. Denn wie die meisten Kulturinstitutionen müssen wir dem „Silbersee“ im Publikum begegnen. Und wir müssen angesichts immer knapper werdender öffentlicher Kassen die Relevanz von Ballett in der Kultur und Gesellschaft stärken, um sicherzustellen, dass wir auch weiterhin in ausreichender Höhe durch staatliche Mittel finanziert werden. Die Lösung: Eine Imagekampagne. Die Aufgabe dabei lautete für uns: Verjüngung der Zielgruppe, Steigerung der Markenbekanntheit und Abbau von Schwellenängsten gegenüber „elitären Kulturveranstaltungen“. Ziel der Kampagne war es, das Image des Hamburg Ballett zu festigen, die Zielgruppe zu erweitern, die Kenntnis über John Neumeier zu vertiefen und die Auslastung der Vorstellungen aufrecht zu erhalten. Zum Spielzeitauftakt 2009/2010 ging es los.
Im Mittelpunkt der Kampagne steht die Leitidee „Bewegungen, die bewegen“. Denn dies ist der Kern von allem, was wir beim Hamburg Ballett tun. Emotionen sind für die Tänzer und für John Neumeier Mittelpunkt des Lebens und Drehpunkt der täglichen Arbeit. Auch in der Kampagne wollten wir deshalb die Poesie des Tanzes mit dem normalen Alltag verknüpfen und emotionale Momente schaffen, die jeden bewegen. Unsere Zielgruppe wollten wir so involvieren und ihre Identifikation mit dem Hamburg Ballett stärken.
Auch eine Kampagne braucht eine Dramaturgie. Die bestand für uns aus drei Elementen: Aufmerksamkeit zu schaffen (durch klassische Werbung), die Medienagenda zu setzen (durch nachhaltigen Themenaufbau und durch neuartige Kooperationen, die die klassische Pressearbeit verstärken), sowie die Zielgruppe zu aktivieren (durch verschiedene Social Media-Aktivitäten). Für eine erfolgreiche Umsetzung war also ein Zusammenspiel aller Kanäle von Nöten. In der Umsetzung gelang uns damit die erste 360°-Kampagne für einen Kulturbetrieb. Mit der Imagekampagne haben wir uns eingemischt und die Vielseitigkeit und Emotionalität des Hamburg Ballett gezeigt. Mehr noch: Wir haben deutlich gemacht, dass Ballett nicht abgehoben ist, sondern wichtiger Bestandteil von Kultur und Gesellschaft. Getrieben wurde die Kampagne von der PR-Kooperation mit dem HSV, Porträts in politischen Magazinen und Interviews auch in Wirtschaftsmedien haben gezeigt, dass Ballett viel mehr ist als Männer in Strumpfhosen und dass das Hamburg Ballett viel mehr bewegt, als nur Arme und Beine der Tänzer. Diese PR-Maßnahmen fanden zusätzlich zur normalen Ballettberichterstattung statt.
Nun kommt der Haken: Das Hamburg Ballett hat kein Marketing-Budget. Deshalb musste die gesamte Kampagne pro bono umgesetzt werden. Von den Agenturleistungen (Scholz&Friends Hamburg) über die Produktionskosten bis zu den Freischaltungen als Plakat und Anzeige. Das haben wir geschafft. Allein die Medialeistungen für die Gesamtkampagne haben sich auf über 1 Millionen Euro summiert, von denen ca. 300.000 Euro reine Mediaschaltungen sind, der Differenzbetrag setzt sich aus den Medienäquivalenzwerten der Berichterstattung zusammen. Die Agenturleistungen sind hier noch nicht mit eingerechnet. Das alles ohne Gegenleistung unsererseits. Und sonst? Hat sich die Zahl unserer Facebook-Freunde im letzten Jahr versechsfacht, wir betreiben die erfolgreichste Facebook-Seite aller deutschen Ballettensembles mit über 90.000 Postviews im Monat. 70 Prozent unserer Facebook-Freunde ist unter 35 Jahre alt. Und auch unsere Auslastung kann sich sehen lassen: In den ersten vier Monaten der Spielzeit – den Kampagnenmonaten – lag sie bei 99 Prozent.
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