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Online seit: 28.8.2019
Tempo statt Tribunal gegen die Hydra Internet
Der Rechtsweg ist bei Kommunikationskrisen im Internetzeitalter ein ziemlich stumpfes Schwert geworden. Denn: Ist eine schlechte Nachricht erstmal veröfffentlicht, ist sie auch schon im Netz. Wenn sie im Netz ist, ist sie bei Google. Ist sie bei Google, ist sie in der Welt. Und bleibt da wohl meist auch, wie das Landgericht Mönchengladbach in einem aktuellen Prozess gegen den Suchmaschinen-Giganten feststellte.
Wieder einmal steht Google wegen seiner Suchergebnisse vor Gericht: Ein emeritierter Professor will den Suchmaschinen-Anbieter dazu zwingen, bei der Suche nach seinem Namen einen bestimmten Link nicht mehr anzuzeigen. Der verweist auf einen Artikel in einem anonymen Pöbel-Blog, in dem der Politologe verunglimpft wird. Seine Chancen stehen schlecht: Obwohl das Urteil erst für Anfang September erwartet wird, äußerte das Landgericht Mönchengladbach im Prozess schon seine Einschätzung, dass nicht Google für die Behauptungen in dem verlinkten Blog der richtige Ansprechpartner für eine Löschung sei, sondern der Autor oder der Seitenbetreiber des Blogs. Doch der Autor wurde bisher nicht identifiziert, der Seitenbetreiber sitzt in den USA – deswegen verklagte der Professor Google. Wenn er nicht verhindern kann, dass der Artikel im Netz steht, will er zumindest erreichen, dass er nicht so leicht gefunden wird.
Für die Unternehmenskommunikation zeigen solche Prozesse vor allem eines: Der Rechtsweg ist im Internetzeitalter nur noch begrenzt geeignet, um gegen unliebsame Veröffentlichungen vorzugehen. „Früher ließen sich Unternehmen nach einer negativen Berichterstattung in Printmedien erst mal viel Zeit, um intern juristische Schritte zu Prüfen. Die Zeitung von heute wurde morgen zu Altpapier; deswegen gab es in vielen Fällen kaum Zeitdruck. Man versuchte, eine einstweilige Verfügung zu erreichen, dass beanstandenswerte Aussagen nicht wiederholt werden; damit war erst mal Ruhe, und man konnte sich ohne großen Zeitdruck auf eine Klage“, so Krisenkommunikationsexperte Jörg Forthmann vom Faktenkontor: „Wer heute noch so reagiert, wird in einer Kommunikationskrise schnell zum Gejagten. Denn inzwischen ist die Zeitung von gestern auch heute, morgen und viele Jahre lang im Netz verfügbar; taucht auf, wenn man das Unternehmen googelt. Sind Negativ-Nachrichten erst mal online, lassen sie sich nicht mehr so leicht unter Kontrolle bringen.“
Völlig unmöglich ist es zwar nicht, Google zu so einer Löschung zu zwingen, zumindest, wenn es sich um eindeutig rechtswidrige Einträge handelt – aber eine generelle „Löschpflicht“ gibt es nicht, wie der Pressesprecher des Landgerichts Mönchengladbach, Richter Dr. Martin Alberring gegenüber dem ThinkTank-PR Newsletter erläutert: „Ob so eine Löschpflicht besteht, ist immer eine Einzelfallentscheidung, bei der verschiedene Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden müssen. Wie in diesem Fall das Persönlichkeitsrecht des Klägers gegen das berechtigte Interesse von Google, Treffer wertfrei anzuzeigen.“
Doch die Hürden, so eine Löschung zu erzwingen, sind hoch, die Erfolgsaussichten gering, wie andere Fälle zeigen. Denn der Professor ist bei weitem nicht der erste, der versucht, auf dem Rechtsweg unliebsame Webseiten aus den Google-Trefferlisten zu entfernen. Ein Spanier will in einem ähnlich gelagerten Prozess gerade den Europäischen Gerichtshof dazu zu bringen, einen Google-Treffer löschen zu lassen – auch seine Chancen stehen schlecht.
Juristisch gegen einzelne Veröffentlichungen vorzugehen lenkt aber die öffentliche Aufmerksamkeit auf die schlechte Nachricht. Das führt schnell dazu, dass sie oft gesucht und auf anderen Seiten wiederholt, verlinkt und zitiert wird – und dadurch bei der Google-Suche immer häufiger und weiter oben auftaucht. Googelt man heute den klagenden Professor, ist der zwielichtige Blog-Artikel gleich der zweite Treffer, direkt nach seinem Wikipedia-Eintrag. „Das Internet ist in dieser Hinsicht wie eine Hydra: Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen zwei nach“, erläutert Jörg Forthmann. „Wichtiger als eine langfristige, juristische Herangehensweise ist im Kampf gegen schädigende, falsche Behauptungen deshalb eine zeitnahe Krisenkommunikation, die vor allem schnell sein muss. Dafür gilt es insbesondere, unwahre, problematische Behauptungen über das eigene Unternehmen im Netz frühzeitig zu finden, bevor sie ein Massenphänomen werden. Das ist nur durch systematisches Internetmonitoring möglich – das leider immer noch zu wenige Unternehmen in Deutschland einsetzen.“
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